Annemieke von Edu Heroes auf dem Pirate Summit 2018

lexoffice Community Interview: Annemieke von EduHeroes

Das Start-up aus Berlin kümmert sich um Future Skills und mehr Digitalkompetenz für Schulkinder

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Vielen Schulen in Deutschland fehlt es dringend an Lehrern und dem Budget für digitale Fortbildung. Aber auch in Konzernen sind Workshops für mehr Digitalkompetenz gefragt – denn die Zukunft ist schon da und will bewältigt werden. Die EduHeroes helfen dem Nachwuchs beim Entdecken digitaler Superkräfte.

Annemieke Frank von EduHeroes hat im Frühjahr an unserem lexrocket Super StartUp Adventure Camp 2018 in Dahab teilgenommen. Wir trafen sie wieder auf dem Pirate Summit und freuten uns über die Gelegenheit für ein Community-Gespräch 🙂 und um nachzufragen, was das #SSACDAHAB den Bildungsheldinnen gebracht hat.

Annemieke Frank von EduHeroes

Annemieke Frank

EduHeroes Founder & CEO

Design Thinking Coach, Community Builder & Communications Manager; Expertin für Gamification und Researching Educational Trends – bildet zusammen mit Gosia Moszyk das EduHeroes Team.

lexoffice: Hallo Annemieke, einige unserer Leser*innen kennen Dich zwar bereits, weil sie die Beiträge und Filme rund um das Super StartUp Adventure Camp 2018 in Dahab verfolgt haben. Würdest Du Dich trotzdem bitte kurz vorstellen?

Annemieke: Gerne. Ich bin Annemieke Frank, Mitgründerin von EduHeroes. Wir von EduHeroes sehen uns als eine Bildungsinitiative, die Lernen praktisch neu denkt – mit Workshops in Schulen und außerhalb. Wir vermitteln Digitalkompetenzen und bringen aber auch so genannte Future Skills bei.

Unter „Future Skills“ versteht man die Fähigkeiten, die in der Arbeitswelt der Zukunft vorausgesetzt werden … lauter Skills, die in den Schulen aktuell nicht so vermittelt werden wie nötig.

lexoffice: Auf welche Altersgruppe ist Euer Angebot ausgerichtet?

Annemieke: Auf mehrere Alters- und Zielgruppen, da wir mehrere Angebote haben:

Da sind zunächst die Grundschulkinder, denn in Berlin geht die Grundschule ja bis zur sechsten Klasse. Noch vor der Pubertät beginnen wir damit, wichtige Skills wie Kooperation, Kommunikation, Kreativität und kritisches Denken zu vermitteln. Nicht nur irgendwelche Apps und wie man sie bedient oder die Standard-Grundkenntnisse bei der Nutzung von Computern – wir würden zum Beispiel nie einfach nur sagen „So, jetzt lernst Du programmieren“. Stattdessen betreiben wir mit den Kids Storytelling, wir nehmen sie mit auf eine Geschichtenreise: ‘Du landest auf einem Planeten und findest diesen Roboter – jetzt musst du jemanden retten, dazu lernst du jetzt Programmieren“. Das sind also die Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren.

Wir geben viele Workshops auch außerhalb von Schulen. Das heißt, wir arbeiten mit Eltern. Dann geben wir noch Corporate Workshops. Denn in großen Firmen fehlt oft völlig das Hintergrundwissen darüber, was zum Beispiel ein Programmierer da eigentlich tut. Wir bringen dann ein besseres Verständnis bei und zeigen, was geht und was nicht. Wenn jemand zu einem Developer geht und sagt ‚ich möchte ja jetzt einen weiteren Button haben‘, dauert das zwei Wochen – warum? Weil ganz viele Logarithmen und ineinander verhakte Zusammenhänge dazugehören, die mit angepasst werden müssen, bis es klappt. Wir vermitteln die Basics von Coding, sozusagen: Was ist Coding? Was ist Programmieren?

Wir machen aber auch Soft Skills Trainings für Firmen. Die Future Skills Geschichte noch mal anders benannt. Denn Erwachsene und Kinder lieben es gleichermaßen, mit Robotern spielend zu lernen. Ein Erwachsener profitiert von einem spielerischen 2-Stunden-Workshop viel mehr als von einem Vortrag. Die wollen spielen. Das ist übrigens auch der Schlüssel zum Lernen, das Spielen – spielerisches Lernen – Gamification und Education.

lexoffice: Ihr seid ja selbst sehr fit in Sachen Lernen und digitaler Welt. Was hat Euch denn das Start-up Camp gebracht?

Annemieke: Das Camp war gut, richtig toll. Man bewegt sich ja sonst in seiner eigenen kleinen Welt, bei uns die Edu-Bubble. Oft sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Dann dieses Event – und das Schöne war, niemand hatte etwas mit Bildung zu tun. Keiner war vorbelastet und die anderen Teilnehmenden haben Dir dann halt wertvollen Input geben können, aus ganz vielen frischen Winkeln und Gesichtspunkten heraus anregen „Hast Du da schon mal dran gedacht, oder daran?“ Das war cool und sehr bereichernd und wertvoll.

lexoffice: Das EduHeroes Konzept hört sich toll an. Aber ist es nicht so, dass viele Schulen wenig Geld haben und es deshalb auch wenig Lehrpersonen gibt, um digitale Bildung voranzutreiben?

Annemieke: Richtig. Deswegen brauchen sie uns auch. Die Lehrer haben aktuell auch gar nicht die Kompetenzen, außerdem fehlt überall Lehrpersonal – bis 2025 werden in Deutschland 35.000 Grundschullehrer fehlen. Das muss man sich mal vorstellen – 35.000! Schulbudgets sind oft auch schon fest verplant, das kommt noch dazu.

lexoffice: Die Schulen brauchen Euch also dringend, aber wie macht Ihr das, wenn die Budgets schon vergeben sind? Wie finanziert Ihr Euer EduHeroes Start-up?

Annemieke: Wir geben viele Workshops auch außerhalb von Schulen. Von den Workshops für andere Zielgruppen wie Corporates und Eltern gehen dann immer 10% an Kid-Workshops. Außerdem arbeiten wir beide noch in anderen Bereichen, ich bin in Berlin noch als PR und Marketing selbstständig unterwegs und arbeite vor allem für Bildungsinitiativen. Ich stecke also mittendrin und bekomme mit, dass es eine richtige Bildungsbewegung gibt, die von kleinen Initiativen ausgeht und oft auch von Frauen.

Die digitale Bildungsbewegung geht auch von vielen kleinen Initiativen aus, viele von Frauen gegründet. lexoffice interviewte zu diesem Thema bereits Güncem Campagna von der Codingschule Düsseldorf für Kinder.

lexoffice: Es ist so wichtig, dass die nächste Generation eine Chance auf digitale Vorbildung bekommt. Wie kann man Euch EduHeroes denn konkret unterstützen?

Annemieke: Das ist eine schöne Frage 🙂 also, wir sind überbucht und underfunded. Ein Problem ist, dass man für diese wichtige Aufgaben an den Schulen und um an solche Aufträge heranzukommen, ganz viel kostenlos in Vorleistung treten muss. Bildungs-Start-ups wie unseres sind noch nicht in der Invest-Welt angekommen, weil die allgemeine Annahme vorherrscht, dass Bildung vom Staat oder von Stiftungen finanziert wird.
Investoren sehen unser Konzept nicht und denken dann sofort „Bildung, prima, daraus machen wir gemeinsam ein Business“, dabei wäre das ein so richtiger wie für alle nützlicher Gedanke. Diesen Gedanken könnte man ja mal konkreter voranbringen, denn Bildungs-Start-ups brauchen natürlich auch Investoren – sie sind extrem gefragt und unglaublich wichtig.

lexoffice: Wie nehmt Ihr das selbst in Angriff, habt Ihr mal Kickstarter und Co in Erwägung gezogen?

Annemieke: Auch eine gute Idee. Was wir aktuell machen, ist Crowdfunding für Corporate Social Responsibility. Wir hatten jetzt zum Beispiel eine Woche lang einen Popup-Space zum Thema „Zukunft der Bildung“, den wir durch eine kleine Spendenaktion finanziert haben. Ganz viel Marketing ist wichtig, die Leute werden nicht von alleine kommen.

lexoffice: Gibt es Euch EduHeroes nur in Berlin? Oder können auch Interessierte aus anderen Städten zu Euch kommen, bei Euch lernen, bei Euch mitmachen oder mit Euch was Eigenes machen und Euch dafür buchen?

Annemieke: Natürlich. Wir arbeiten jetzt beispielsweise auch mit einer Schule in Frankfurt zusammen. Eine Privatschule, die mit der Finanzierung daher kein Problem hat. Unser Wunsch ist aber eigentlich, das EduHeroes Konzept für alle zu öffnen. Wir haben momentan grade den gesellschaftlichen Trend, dass sich die Sozialschere immer weiter öffnet. Auch in Sachen Bildung.

Kinder, die sowieso schon gefördert werden, werden digital schneller fit, kriegen später die bessere Ausbildung und die Jobs, von denen man leben kann. Bildung soll aber grundsätzlich für alle verfügbar sein, auch und vor allem Digitalkompetenz, denn so sieht das Fundament aus, das später ein gutes Leben ermöglicht und deswegen werden wir uns nicht auf Privatschulen spezialisieren, obwohl die mit der Finanzierung weniger Probleme haben.
Wir machen dann mit den EduHeroes immer mal bei einigen Workshops ein Konzept, bei dem immer auch einige Teilnehmende dabei sind, die es sich nicht selbst leisten könnten.

lexoffice: Berlin ist bekanntlich besonders bunt, und ihr geht in alle Schulen. Was ist denn mit Kindern, denen Ihr begegnet, die von zu Hause aus benachteiligt sind, manche vielleicht nicht mal richtig gut Deutsch können. Profitieren die trotzdem von Eurem digitalem Unterricht, oder ist die Schere zu groß?

Annemieke: Große Frage. Ich würde es andersrum sagen: Das ist tatsächlich auch noch mal ein eigenes Problem abseits fehlender Digitalkompetenz. Die Kids aus sozial benachteiligten Haushalten müssen ganz andere Sachen beigebracht kriegen, und das sieht man leider schon in dem Alter von acht Jahren. Diese Kinder müssen – und das ist richtig krass und eigentlich ein ganz separates sehr wichtiges Thema – Empathie, Zusammenarbeit und Zusammenhalt lernen. Vor allem die Kinder, die sehr auf Konkurrenz getrimmt sind und dazu kommt noch … ein Kind, das aus einer Familie mit einem Schwerpunkt auf Bildung, Allgemeinbildung und sozialen Skills geht, in der viel kommuniziert wird – das wird wahrscheinlich sofort verstehen, wie man anfängt Programmieren zu lernen. Ein Kind aus einer Familie, in der nicht alle die gleiche Sprache gleich gut sprechen oder in der nicht diskutiert wird, was im Leben und im Fernsehen so passiert, das benötigt dann ein völlig anderes Klima für erfolgreiches Lernen. Das ist nicht fair, aber das ist so.

lexoffice: Nein, fair ist das nicht. Aber was kann man für diese Kinder denn tun, damit es wieder ausgeglichener wird?

Annemieke: Wieder eine gute Frage. Ich glaube tatsächlich, unser Schulsystem ist – und das meine ich wirklich genau so – das Schulsystem ist überholt. Unser Schulsystem ist kaputt. Wir müssen tatsächlich jetzt Bildung komplett neu denken, damit wir kurz- und langfristig alle Kids integrieren. Vor allem, damit wir auch die Kids integrieren, die grade über den Tellerrand fallen. Aber auch jene, denen es schon gut geht. Das Problem ist tatsächlich viel, viel, viel tiefer – im Englischen sagst Du wohl „rooted“ dazu: Die Wurzel hängt viel tiefer. Das können wir mit unserem Start-up nicht lösen, das ist ein gesellschaftliches Problem.

Was wir aber machen können und auch schon tun: Wir halten Plätze offen für Kinder, die es sich nicht leisten können, damit sie auch teilhaben können.

lexoffice: Vielleicht könnte es ein Patenprogramm geben. Eltern, die ein weiteres Kind „mitfinanzieren“ oder Verbände, die einfach mal sagen „die Workshops für diese 20 Kinder, die zahlen wir“.

Annemieke: Oder ein Mentorenprogramm, ja. Es gibt viele neue Ideen, zum Glück. Lernen wird in der Zukunft sowieso auch generationenbezogen sein. Das kann man jetzt schon sehen: Kinder bringen Erwachsenen was über Digitalität bei. Man würde viel mehr davon profitieren, Wissen wieder zurückzugeben an die Kids, aber die Kids auch Wissen an Ältere geben zu lassen. Kommunales Lernen halt, wie in einem Community Center – die Omas bringen den Kleinen Nähen bei und die Kleinen den Älteren, wie man eine App benutzt.

Es gibt ganz viele Möglichkeiten, auf ganz unterschiedlichen Ebenen im Bildungsbereich was zu machen und anzupacken. Unser Bildungssystem wird sich in den nächsten fünf Jahren wandeln. Und ich glaube, da wird auch ganz viel Business draus entstehen können.

Um hier mal das böse oder eben nicht böse Business-Wort in den Mund zu nehmen – auch mit Bildung lässt sich Business machen.

lexoffice: Vielen Dank für das supernette Interview und weiter ganz viel Erfolg mit dem Vermitteln von Heldenqualitäten!

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