So bitte nicht: Wie Networking online garantiert nicht klappt

So bitte nicht: Wie Networking online garantiert nicht klappt

Virtuelle Vernetzung ist ganz einfach. Zu einfach für die Fließbandarbeiter unter den spürbar Merkbefreiten: Was ist da eigentlich los?

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Irgendwo da draußen in der Marketing-Selbstlernhölle sitzt wahrscheinlich ein Teufel aus dem ehemaligen Direktvertrieb, der sich ins Fäustchen lacht, weil er gefühlt Hunderttausenden von „Geschäftsmodell-Betreiber*innen“ die schlimmstmögliche Methode zur Vermarktung eingetrichtert hat. Vielleicht war es auch nur ein Berater, der Firmen mit Franchising-Modell die Einarbeitung der Partner „optimiert“ hat. Das Ergebnis ist gleich.

Wir kennen sie alle: Die Freundschaftsanfragen von Menschen, die gemeinsame Bekannte mit uns haben. Auf Facebook, auf LinkedIn wird eingeblendet „29 gemeinsame Bekannte“, oder 5 … Als halbwegs aktives Mitglied in diveren Frauen-Businessnetzwerken bekomme ich sehr viele Kontaktgesuche und stimme auch oft zu: Weil es Spaß macht, wenn die Filterbubble sich erweitert, weil mir ein Gesicht vage bekannt vorkommt oder ich eine andere Anfrage vermute, sobald das Gesuch bestätigt wurde.

Netzwerke wachsen organisch, doch Pilzbefall gilt es zu vermeiden

Der Spaß hört allerdings ganz oft schon 30 Sekunden nach dem freundlichen Bestätigungsklick auf. Getreu der alten Misserfolgsformel „wenn Deppen von Deppen lernen, sind wenigstens irgendwann alle von irgendwas genervt“ macht es Pling und im Messenger sitzt eine dieser spackigen Nachrichten. Die lauten ungefähr so:

„Hallöchen meine Liebe, ich bin hoch erfreut, dich in meinem Netzwerk begrüßen zu können. Meine Angebote findest du in dieser Gruppe XYZ und lass uns doch einfach ganz fein miteinander netzwerkeln! Ich liebe Netzwerken, es ist supi! Für Rückfragen zu meinen Produkten, Services und der Gruppe stehe ich natürlich gerne zur Verfügung. Und, weil dein Profilfoto so nett aussiehst, nur noch drei Tage lang kannst du mein Supersonderdeppen-Spezial buchen *zwinkersmiley* bis bald!“

Tja. So habe ich auch geguckt.

Nur die ersten zwei bis zweihundert Male natürlich. Inzwischen bin ich schnell und effizient unterwegs, marschiere ohne Umweg virtuell zum Profil der promotionbefallenen Person und nutze die Blockierfunktion.

Die zweite typische Verhaltensweise der Promo-Zombies: Innerhalb der ersten Sekunden bis Tage nach „Kontaktaufnahme“ die Aufforderung zum Liken der Fanpage schicken. Man muss lange suchen, bis man etwas noch Nervigeres und Stilferneres findet – das hält diese Menschen aber ganz klar nicht ab.

Leider kein Einzelfall: Sehr schlechtes Networking online

Wer vom Erstkontakt an so nervig ist, entwickelt sich nicht zu besserem Verhalten und es ist nervenschonend, dann sofort zu blockieren. Von Gesprächen in meinem Netzwerk weiß ich, dass es die meisten inzwischen so machen. Keine*r hat Zeit, Detektivarbeit zu leisten und Profile vorher sorgfältig auszuspähen – bei offensichtlichem Befall wie Produkten zur Nahrungsergänzung, Diätgruppen und Kosmetik wird meist sofort der Versuch an sich entfernt, die Anfrage gelöscht oder die Person nervenschonend sofort daran gehindert, sich wieder zu melden. Bei einer sich erst nach dem Klick zeigenden Verseuchung wird ebenfalls sofort geblockt.

Denn die SPAMpromoter kommen ja wieder wie die Walking Dead, wenn man nicht gleich durchgreift – und vermehren sich stündlich, obendrein. Lässt man sie ins eigene Netzwerk und sei es versehentlich, dann bekommen sie angezeigt, wer wen kennt und es hört gar nicht mehr auf (ich habe das leider für euch getestet).

Es passiert so häufig und so vielen, dass das Generv bestimmt Methode hat – nur welche? Dazu habe ich eine Theorie, die ich gleich noch genauer ausführen werde.

Wer einen kennt, der wen kennt ...

Networking ist großartig und nützlich. Die Fließband-Spammer mit den Zahnfleischfotos wissen: Wenn sie nur ausreichend Menschen kontakten, bleiben am Fliegenfänger am Ende einige hängen. Das ist eine sehr traurige und bestimmt auch oft frustrierende Methode, den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Genau deswegen sind die Damen und Herren wohl auch so abgebrüht? Vielleicht haben Sie auch „gelernt“, dass Generv dazugehört, so wie fast alle früher oder später alle mal einen Cousin oder Nachbarn hatten, der im Versicherungsgewerbe auf unsere Kosten reich werden wollte und deswegen so klebrig-widerlich hartnäckig war.

Jetzt ist übrigens der Moment, an dem in so einem Gespräch normalerweise der Chor der tugendhaften Besservernetzer einsetzt, um uns ein Liedchen darüber zu singen, wie viel besser und sorgfältiger sie doch in der Auswahl ihrer Kontakte sind. Passiert denen ja nicht, dass sie auf Promo-Zombies reinfallen, sie haben (anders als wir nicht so kluge Betroffene) wache Augen im Kopf und ein fleißiges schlaues Hirn im Betrieb.

Vielleicht haben sie auch einfach nicht so viele Kontaktanfragen 🙂

Die ignoriere ich jetzt mal, die Besservernetzer – sie sollen ihre eigenen Blogartikel schreiben bzw. tun das bereits. Ich habe schon beim ersten Krabbelgruppenbesuch meines Lebens als Mutter festgestellt, dass man gar nicht lange suchen muss, um in jeder Lebenslage Experten zu finden, die Belehrungen absondern und bin ganz sicher, dass wir für jede*n etwas finden, wo noch Luft nach oben ist. Die Menschen, die Druckluftbetankung und Dauerbesprenkelung für Marketing halten, zum Beispiel, würden von einer ganz anderen Herangehensweise vermutlich nervenschonend profitieren. Ein paar kleinere Änderungen könnten hier bereits genügen:

Statt nach dem Fliegenfängerprinzip Networking online zu betreiben und möglichst viele Menschen mit immer der gleichen Masche anzusprechen, ist zeitgemäßeres Marketing angesagt.Virtuell alleine ist nicht aktuell genug.

Einmal drüberbürsten bitte: Zeitgemäßes Marketing sieht anders aus

Denn statt die veralteten Anleitungen der Hersteller zu befolgen und sich wie alle anderen Promo-Zombies zu benehmen, sollten diese Vermarkter lieber die durchgelatschen Pfade verlassen und das eigene Geschäftsmodell wie ein ganz neues, eigenes Produkt betrachten. Ihren eigenen Ansatz erarbeiten, der zur Nische, Region oder Person besser passt.

Eins der Probleme mit dieser Art der Vermarktung besteht darin, dass da am Ende der Einnahmen-Kette jemand reich werden will mit wenig Aufwand – und daher den Franchising-Partnern und Wiederverkäufern der jeweiligen Marke „Lernpakete für blutige Einsteiger*innen“ und große Versprechungen an die Hand gibt, mit denen sie dann loslegen sollen. Kompakt optimiert, selbstverständich. Wie sich inzwischen zeigt: Ein bisschen zu gut vereinheitlicht ist er, dieser Werbemittelweitergabeprozess.

Ob es nun Webinare, Bücher oder Live-Trainings sind, alle kommen also mit dem exakt gleichen mentalen Startkapital auf den Markt, mit sich ähnelnden Werbemitteln – und diesen grausigen „Networking-Anleitungen“, deren Ergebnis sich inzwischen wie virtueller Herpes anfühlt.

Denn es ist zwar menschlich, aber auch enorm dumm, neue Kontakte schnell mal eben mit dem eigenen Anliegen zu belästigen ganz nach dem Motto „hab ich das auch schon erledigt“.

Erfolgreiches Networking online geht so

Networking geht so: Du bist da, du bist nett und du lieferst Nutzen, aber nicht per Mail oder Messenger oder sonstwie aufdringlich als Push (Belästigen, Spam, Anrufe), sondern durch Postings, Hilfestellungen, Blog schreiben und Informationen nach dem Pull-Prinzip (Angebot machen, es anderen überlassen, ob sie daraufhin bei dir ankommen).

Wenn du Glück hast, bemerkt dich jemand.

Wenn du noch mehr Glück hast, darfst du dein Leben reicher machen, indem du anderen immer mal hier und da mit irgendwas hilfst. Manchmal fällt dein Name dann den anderen als erstes ein, wenn jemand dein Produkt sucht. Je netter und echter du bist, desto öfter passiert das. So und nicht anders geht erfolgreiches Networking online.

P.S.

Zugegeben, ich habe niedere Motive für diesen Blogartikel: Ich möchte ihn jedem und jeder Promo-Zombie in den Messenger hauen, wenn ich ungefragt schleimbeschallt werde.

Aber das lässt sich ja mit erkenntnispushenden Tipps ganz gut kombinieren.

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  1. Dl2mcd | 25.05.2019 | 15:53

    Blöde ist, dass man deshalb gar nicht mehr seine Seite promoten kann, weil man dann für so einen gehalten wird.
    Auch, wenn man nix verkauft und bewirbt

    1. Carola Heine | 27.05.2019 | 09:09

      Hallo Dl2mcd,
      es gibt doch tonnenweise Seiten, die ohne solche „Promotion“ laufen: Weil sie nützlich und unterhaltsam sind, ein aktuelles Thema aufgreifen oder die Betreiber*innen Anzeigen geschaltet haben. Wege gibt es also.
      liebe Grüße und eine gute Woche!
      Carola