Reihengeschäft

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    Zusammenfassung

    Begriff

    Reihengeschäft bedeutet, dass mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand ein Liefergeschäft ausführen. Dabei befördert oder versendet der erste Lieferant die Ware unmittelbar an den letzten Abnehmer in der Reihe. Liegt ein grenzüberschreitendes Reihengeschäft vor, zählen Ausfuhr– oder innergemeinschaftliche Lieferungen nur bei einer „Lieferung mit Warenbewegung“ als steuerfrei. Alle übrigen Lieferungen sind steuerpflichtig.

    Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

    Die wichtigsten Rechtsquellen bzw. Verwaltungsanweisungen basieren auf folgenden Dokumenten:

    • 3 Abs. 6 Satz 5
    • 6 UStG, Abschn. 3.14 UStAE
    • für innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte § 25b UStG und 25b.1 UStAE

    In welchen Fällen kommt es zu einem Reihengeschäft?

    Ein umsatzsteuerliches Reihengeschäft besteht, sobald mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte abschließen. Dabei sorgt ein am Reihengeschäft beteiligter Unternehmer dafür, dass der erste Lieferer den Liefergegenstand körperlich unmittelbar vom ersten Lieferer an den letzten Abnehmer befördert oder versendet. Diese Voraussetzung der unmittelbaren Überlieferung gilt auch als erfüllt, wenn die Beförderung oder Versendung zu einem – nicht direkt in den Liefervorgängen involvierten – Drittbeauftragten gelangt (beispielsweise Lohnveredeler oder Lagerhalter).

    Wenn der Lieferer einen Dritten damit beauftragt, den Liefergegenstand im Voraus zu be- oder verarbeiten, wird das be- oder verarbeitete Produkt zum Gegenstand der Lieferung.

    Sind mehrere Unternehmer an der Beförderung oder Versendung beteiligt, ist die Voraussetzung des unmittelbaren Gelangens nicht erfüllt. Diese Variante nennt sich nicht Reihengeschäft, sondern gebrochene Beförderung bzw. Versendung.

    Praxis-Beispiel: Gebrochene Beförderung/Versendung statt Reihengeschäft

    Unternehmer D 1 aus München verkauft eine Maschine an den Unternehmer D 2 in Hamburg. Dieser wiederum schließt einen Kaufvertrag über dieselbe Maschine mit Unternehmer S aus Schweden ab. Wie vereinbart befördert D 1 die Maschine zu D 2 nach Hamburg. Daraufhin lässt S die Maschine über einen Reeder von Hamburg nach Schweden verschiffen. S gibt gegenüber D 2 seine schwedische USt-IdNr an.

    Dieses Beispiel veranschaulicht kein Reihengeschäft. Stattdessen handelt es sich hierbei um eine gebrochene Beförderungs- und Versendungslieferung. Für beide Lieferungen gilt der Status „am Abgangsort Deutschland bewirkt“.

    Die Lieferung 1 von D 1 ist laut § 6a UStG steuerpflichtig, da weder Lieferer D 1 noch Abnehmer D 2 die Maschine nach Schweden befördern bzw. versenden.

    Die Lieferung 2 von D 2 an S ist nach § 6a UStG steuerfrei, da S als Abnehmer von D2 die Versendung vom Abgangsort Hamburg an den Lieferort Schweden veranlasst.

    Reihengeschäft: Nicht grenzüberschreitend

    Wenn der Liefergegenstand eines Reihengeschäftes im Herkunftsland verbleibt und keine grenzüberschreitende Lieferung stattfindet, gestaltet sich die umsatzsteuerliche Behandlung vergleichsweise einfach: Alle Lieferungen aus der betreffenden Reihe unterliegen der Umsatzsteuer des Herkunftslands. Welche steuerrechtlichen Regelungen in Kraft treten, bestimmt also der Staat, aus dem die Ware stammt und in dem sie bleibt – egal, wo sich der Lieferer befindet.

    Praxis-Beispiel: Liefergegenstand übertritt keine Grenze

    Der deutsche Bauunternehmer D 1 errichtet ein Gebäude in Frankreich. Dafür gibt er beim deutschen Baustoffhändler D 2 eine Bestellung für Baumaterial auf. D 2 bestellt dasselbe Material wiederum bei dem französischen Hersteller F. Dieser bringt die Lieferung im Auftrag von D 2 direkt an den französischen Standort von D 1.

    Reihengeschäft ohne Grenzübergang

    Folge: Nach der Auslieferung über das Reihengeschäft bleibt das bestellte Baumaterial in Frankreich. Sowohl die Lieferung von F an D 2 als auch die von D 2 an D 1 richtet sich nicht nach der deutschen, sondern nach der französischen Umsatzsteuer. D 1 und D 2 haben dementsprechend die Pflicht, in Frankreich eine Umsatzsteuererklärung abzugeben. Zu diesem Zweck dürfen sie einen französischen Fiskalvertreter beauftragen.

    Für D 2 würde es sich empfehlen, nicht die Rolle des „Zwischenhändlers“ einzunehmen. Alternativ könnte er im Auftrag des D 1 als Vermittler einer Direktlieferung von Hersteller F an Verbraucher D 1 agieren.

    Reihengeschäft mit Vermittler

    Folge: Da sich der Auftraggeber D 1 in Deutschland befindet, vollbringt D 2 hier eine Vermittlungsleistung, die er auch in Deutschland besteuern muss. Den deutschen Vorsteuerabzug erhält D1 aus der Umsatzsteuer, die D2 in Deutschland abzuführen hat. So lässt es sich vermeiden, dass D2 wegen einer umsatzsteuerlichen Erfassung als „Zwischenhändler“ in Frankreich finanziell benachteiligt ist. Hierfür muss die Vermittlerrolle von D2 klar aus den jeweiligen Vertrags- bzw. Rechnungsinhalten und dem Zahlungsweg hervorgehen.

    Reihengeschäft: Grenzüberschreitend

    Umsatzsteuerfreie Lieferung „mit Warenbewegung“

    Der Besteuerungsort ergibt sich aus dem umsatzsteuerlichen Lieferort. Dieser befindet sich nach § 3 Abs. 6 UStG bei Reihengeschäften:

    • entweder im Abgangsland der Lieferung (auch (Waren-)Ursprungsland genannt)
    • im Ankunftsland der Lieferung (auch Bestimmungsland genannt)

    Der Lieferort kann in keinem anderen Land liegen und hängt nicht davon ab, wo der zuständige Lieferer seinen Sitz hat. Wenn der Lieferer weder im Ursprungs- noch im Bestimmungsland ansässig ist, muss er sich ggf. in einem anderen Staat umsatzsteuerlich registrieren lassen, was oftmals zu Komplikationen führt. In solchen Fällen können Unternehmer von der Vereinfachungsregelung für innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte gemäß § 25b UStG Gebrauch machen.

    Von allen Lieferungen, die im Rahmen eines Reihengeschäftes erfolgen, darf nur die sog. Lieferung mit Warenbewegung umsatzsteuerfrei sein. Dies geht aus § 6 UStG (Ausfuhrlieferung in das Drittland) bzw. § 6a UStG (innergemeinschaftliche Lieferung) hervor.

    Der umsatzsteuerliche Lieferort ist grds. in dem Land, in dem die Beförderung oder Versendung des Liefergegenstands beginnt. Wenn einer der Lieferanten oder einer der Abnehmer den Gegenstand selbst (oder durch seine Arbeitnehmer) fortbewegt, liegt ein Befördern vor. Versenden liegt dagegen bei der Beförderung durch einen selbstständigen Beauftragten vor (Frachtführer, Spediteur).

    Veranlasser der Versendung ist immer derjenige, der den Auftrag an den Frachtführer oder Spediteur erteilt hat. Ergibt sich aus den Geschäftsunterlagen nichts anderes, ist auf die Frachtzahlerkonditionen abzustellen.

    Beim Reihengeschäft wird die Beförderung/Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen in der Reihe zugeordnet. Bei dieser einzigen Lieferung „mit Warenbewegung“ befindet sich der Lieferungs- und Besteuerungsort im Abgangsland; nur diese Lieferung kann nach § 6a UStG bzw. § 6 UStG steuerfrei sein.

    In der Praxis ist daher immer zuerst die Frage zu klären, welcher Lieferung die Beförderung/Versendung zuzuordnen ist (= Lieferung mit Warenbewegung oder „bewegte“ Lieferung):

    • Befördert bzw. versendet der erste Verkäufer/Lieferer der Reihe den Gegenstand, ist die Beförderung/Versendung seiner Lieferung zuzuordnen.
    • Befördert bzw. versendet der letzte Abnehmer der Reihe den Gegenstand, ist die Beförderung/Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen (= Lieferung des letzten Lieferers).
    • Befördert bzw. versendet ein in der Reihe sowohl als Abnehmer als auch als Lieferer tätiger Unternehmer (= mittlerer Unternehmer), ist dieser grds. als Abnehmer der Vorlieferung tätig. Die Beförderung/Versendung ist der Lieferung an ihn (= Lieferung seines Lieferanten) zuzuordnen. Der mittlere Unternehmer kann jedoch nachweisen, dass er (anstatt als Abnehmer) als Lieferer tätig war. Dann ist die Beförderung/Versendung der von ihm getätigten Lieferung zuzuordnen.

    Praxis-Tipp: Rechtsfolgen können gestaltet werden

    Je nachdem, welcher Teilnehmer im Reihengeschäft befördert oder versendet hat, können sich unterschiedliche Folgen er­geben. Jedoch kann hier auch umsatzsteuerlich „gestaltet“ werden, indem vorher gezielt festgelegt wird, durch welchen Beteiligten die Beförderung bzw. Versendung erfolgen soll.

    Steuerpflichtige „ruhende“ Lieferungen

    Kann einer Lieferung nach obigen Grundsätzen die Beförderung/Versendung nicht zugerechnet werden (= sog. ruhende Lieferungen), ist diese stets umsatzsteuerpflichtig. Die Lieferort­bestimmung und damit das Besteuerungsland ist davon abhängig, ob die zu beurteilende Lieferung vor oder nach der „bewegten“ Lieferung erfolgt:

    • Bei Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen (sog. vorangehende Lieferungen), befindet sich der Lieferort dort, wo die Beförderung/Versendung des Gegenstands beginnt (Abgangsland).
    • Bei Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen (sog. nachfolgende Lieferungen), befindet sich der Lieferort dort, wo die Beförderung/Versendung des Gegenstands endet (Bestimmungsland).

    Wichtig: Vermeidung der umsatzsteuerlichen Registrierung im Ausland

    Bei den ruhenden umsatzsteuerpflichtigen Lieferungen ist es in der Praxis unbefriedigend, wenn sich der betroffene Lieferer in einem anderen Staat umsatzsteuerlich registrieren lassen muss. Hierfür gibt es innergemeinschaftlich die Vereinfachungsregelung des „Innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts“ sowie diverse Gestaltungsmöglichkeiten (z. B. wer die Ware befördert bzw. wer den Auftrag an den Frachtführer erteilt).

    Beförderung/Versendung durch mittleren Unternehmer

    Die im Reihengeschäft vom mittleren Unternehmer (= zuerst Abnehmer und nachfolgend Lieferer) getätigte bzw. veranlasste Beförderung/Versendung wird nach § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG grds. der Lieferung seines Lieferanten zugerechnet (widerlegbare Vermutung).

    Um die drohende umsatzsteuerliche Erfassung im Ausland zu vermeiden, kann der mittlere Unternehmer die Beförderung/Versendung ausnahmsweise seiner selbst getätigten Lieferung zurechnen. Das hierfür notwendige Auftreten als Lieferer (nicht als Abnehmer) muss der mittlere Unternehmer nach Verwaltungsauffassung anhand von Belegen (Auftragsbestätigung usw.) und Aufzeichnungen wie folgt nachweisen:

    • Teilnahme im Reihengeschäft über die USt-IdNr. des Ursprungslands der Lieferware
    • Übernahme von Gefahr und Kosten der Beförderung/Versendung aufgrund der mit seinem Vorlieferant und seinem Abnehmer vereinbarten Lieferkonditionen, z. B. anhand handelsüblicher Lieferklauseln (Incoterms).

    Folgende Kombinationen von Lieferkonditionen sprechen für die Übernahme von Gefahr und Kosten durch den mittleren Unternehmer:

    Zulieferant →mittlerer Unternehmer→ Kunde
    EXW = EX Works

    = ab Werk

    = Übernahme von Gefahr und Kosten mit

    der Export- und Importabwicklung

    DDP = Delivered Duty Paid

    = frei Haus geliefert und verzollt

    FOB = Free On Board,

    FAS = Free Alongside Ship

    FCA = Free Carrier

    = Übernahme der Kosten des Haupttransports

    DDP
    EXW = EX WorksDAP = Delivered At Place

    = Geliefert benannter Ort und nicht verzollt

    FOB, FAS oder FCADAP

    Wichtig: Geänderte BFH-Rechtsprechung und mögliche gesetzliche Änderung

    Nach Auffassung des BFH kann die vom mittleren Unternehmer veranlasste Warenbewegung (z. B. Auftrag an den Spediteur) in einem Reihengeschäft nur dann (ausnahmsweise) der Lieferung des mittleren Unternehmers selbst zugerechnet werden, wenn der mittlere Unternehmer (Ersterwerber) seinem Abnehmer (Zweiterwerber) die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, bereits im Inland übertragen hat. Auf hiervon abweichende Absichtsbekundigungen der Beteiligten kommt es lt. BFH höchstens bei der Prüfung des Vertrauensschutzes an. Ist die Übertragung der Verfügungsmacht noch im Inland vom Ersterwerber auf den Zweiterwerber nicht zweifelsfrei, ist die Warenbewegung der ersten Lieferung zuzuordnen.

    Allerdings zeigt der BFH dem ersten Lieferer eine „Absicherungsmöglichkeit“ auf: Danach kann sich der erste Lieferer von seinem Abnehmer (Ersterwerber) schriftlich versichern lassen, dass der Ersterwerber die Verfügungsmacht über den Liefergegenstand nicht auf einen Dritten übertragen wird, bevor der Liefergegenstand das Inland verlassen hat.

    Derzeit wendet die Verwaltung aber die o. g. BFH-Rechtsprechung nicht an und hält an Abschn. 3.14 Abs. 7, 9 und 10 UStAE fest. Es wird jedoch geprüft, ob insoweit eine gesetzliche Anpassung des § 3 Abs. 6 UStG erforderlich ist.

    Wichtig: Abholender Frachtführer wird durch den letzten Abnehmer beauftragt

    Wenn der letzte Abnehmer im Reihengeschäft den abholenden Frachtführer beauftragt, wird – entgegen Abschn. 3.14 Abs. 8 Satz 2 UStAE – nach der neueren Rechtsprechung die Warenbewegung durch den mittleren Unternehmer ausgeführt und i. d. R. der Lieferung seines Lieferanten zugerechnet. Dafür muss der mittlere Unternehmer den letzten Abnehmer zur Abholung des Gegenstands (beim ersten Lieferer) bevollmächtigen und zudem die Kosten der Beförderung des letzten Abnehmers tragen bzw. bereits vor Abholung der Ware dem ersten Lieferer mitteilen, dass er den Liefergegenstand weiterverkauft hat, bzw. der letzte Abnehmer die Verfügungsmacht an der Ware erst erhalten hat, nachdem diese das Inland verlassen hat.

    Derzeit wendet die Verwaltung aber die neuere BFH-Rechtsprechung nicht an und hält an Abschn. 3.14 Abs. 8 Satz 2 UStAE fest.

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