Wie relevant ist das Produktlebenszyklus-Konzept für mittelständische Unternehmen?
Im strategischen Marketing wird das Produktlebenszyklus-Konzept vor allem von Großunternehmen genutzt. Es stellt sich die Frage, inwieweit es auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) oder für Start-ups von Bedeutung ist. Grundsätzlich gilt: da auch mittelständische Unternehmen oder neue gegründete Unternehmen Produkte am Markt anbieten, die im Zeitablauf von technischen, wettbewerblichen, nachfrageseitigen und anderen Veränderungen betroffen sind, sind Produktlebenszyklen hier ebenfalls relevant. Wesentliche Unterschiede zu Großunternehmen sind:
- das Produkt-Portfolio ist bei KMU oft weniger differenziert. Das Angebot beschränkt sich auf einige wenige Produkte, im Extremfall auf ein einziges Produkt. Umso wichtiger ist die Produktlebenszyklus-Betrachtung. Wenn der Erfolg des Unternehmen mit einem Produkt bzw. einigen wenigen Produkten steht oder fällt, ist es unbedingt notwendig, sich rechtzeitig über dessen bzw. deren Position klar zu werden und möglichen Handlungsbedarf im Hinblick auf Produktinnovationen festzustellen. Genau darum geht es in der Produktpolitik.
- der relevante Markt ist bei mittelständischen Unternehmen in mancher Hinsicht eingeschränkter als bei Großunternehmen. Das kann die Kundenzahl, die Zahl der Wettbewerber, den geografischen Raum, die möglichen Zielgruppen usw. betreffen. KMU haben in der Regel weniger Möglichkeiten einer aktiven Marktbeeinflussung und müssen mit den Marktgegebenheiten „leben“. Das begrenzt vielleicht die Handlungsoptionen, macht aber die Notwendigkeit der Produktlebenszyklus-Betrachtung keineswegs obsolet.
Fazit: Produktlebenszyklen haben auch für mittelständische Unternehmen und Start-ups eine zentrale Bedeutung. Sie erfordern strategische Entscheidungen zur Produktpolitik. Ob es dazu einer Matrix-Analyse wie der BCG-Matrix bedarf, ist vor allem eine Frage der Zweckmäßigkeit. Die Antwort muss jedes Unternehmen je nach Geschäftsmodell und Produktportfolio selbst geben. Die Matrix-Darstellung ist ein Kann und kein Muss. Sie hilft insbesondere dann, wenn ein Unternehmen mit einer Vielzahl von Produkten in unterschiedlichen Märkten aktiv ist. Das ist bei Mittelständlern oft nicht der Fall. Unverzichtbar ist dagegen die Feststellung: wo steht mein Produkt am Markt und wo will bzw. kann ich damit hin?
Was bedeutet der Produktlebenszyklus für die Produktpolitik und das Marketing?
Das Produktlebenszyklus-Konzept bildet die Grundlage für Marketing-Entscheidungen – mit zwei grundsätzlichen Ausrichtungen:
- es geht zum einen darum, die Produktpolitik festzulegen – zu beantwortende Fragen: welche Produkte lohnen es, weiter gepusht werden? Bei welchen Produkten ist Marktsättigung erreicht? Hat ein Produkt, Chancen sich zum Star zu entwickeln? Sollte ein Produkt vom Markt genommen werden? Sind Produktinnovationen erforderlich? Es handelt sich um strategische Fragen, die strategische Antworten benötigen.
- zum anderen stellt sich die Frage: wie kann ein Produktlebenszyklus positiv im Sinne des Unternehmens beeinflusst werden und mit welchen (Marketing-) Maßnahmen gelingt das am besten? Die Maßnahmen-Festlegung ist eher operativer Natur – es geht um konkrete Handlungsoptionen und deren Nutzung.
Wenn ein Produkt erfolgreich ist und nachhaltig zum Gewinn beiträgt, besteht das Ziel darin, den Produktlebenszyklus soweit möglich zu verlängern. Das ist durchaus möglich und betrifft vor allem Produkte in der Reifephase. Um das zu erreichen, gibt es verschiedene Instrumente. Man kann das Produkt durch Veränderungen und Zusatzangebote attraktiv zu halten versuchen. Oder man bemüht sich, zusätzliches oder neues Produktinteresse zu wecken. Beides bildet keinen Gegensatz. Oft bietet sich eine Kombination mehrerer Instrumente und Maßnahmen an. Hier ein Überblick:
Produktdifferenzierung
Eine Möglichkeit zur Förderung der Produktattraktivität ist die Produktdifferenzierung. Ein bestehendes Produkt wird in mehreren Varianten angeboten, um unterschiedlichen Kundenbedürfnissen besser Rechnung zu tragen. Man unterscheidet zwischen horizontaler und vertikaler Produktdifferenzierung. Bei der horizontalen Differenzierung werden nur bestimmte Produktausprägungen ohne grundlegende Veränderung der Produkteigenschaften variiert: die einzelnen Varianten unterscheiden sich zum Beispiel in Farbe, Form, Look oder Größe. Bei der vertikalen Differenzierung bezieht sich die Variation auf die Qualität: es werden dann zum Beispiel Basis-, Komfort- und Premium-Versionen angeboten.
Produktmodifikation
Die Produktmodifikation weist fließende Übergänge zur Produktinnovation auf. Ein bestehendes Produkt wird modifiziert neu auf den Markt gebracht und die alte Version vom Markt genommen. Typische Erscheinungsformen sind der Relaunch und das Facelifting. Beim Relaunch wird das Produkt in einer überarbeiteten und verbesserten Version weitergeführt. Beim Facelifting wird nur die äußere Erscheinung „aufgefrischt“. Relaunches finden oft bei technisch geprägten Produkten statt, um mit der technologischen Entwicklung Schritt zu halten. Noch eine andere Variante ist das Produkt-Revival. Ein bereits länger vom Markt genommenes, früher erfolgreiches Produkt wird in einer aktualisierten Version „wiederbelebt“ und neu auf den Markt gebracht.
Markterweiterung
Bei Markterweiterung versucht man, für das Produkt zusätzliche neue Käufer zu gewinnen. Das kann durch Definition und Ansprache weiterer Zielgruppen, die Nutzung zusätzlicher Vertriebskanäle und/oder durch die geografische Erweiterung des Absatzmarktes geschehen. Marktintensivierung – die stärkere Durchdringung des bestehenden Marktes – ist bei Produkten in der Reifephase schwierig. Markterweiterung erfordert in der Regel nicht unerhebliche Investitionen in die Markterschließung.
Zusätzliche Services und Leistungen
Wenn die Möglichkeiten zur Produktverbesserung ausgeschöpft, kann man ein Produkt durch zusätzliche Services attraktiver machen. Solche „Value Added Services“ sollen Käufer:innen einen echten Mehrwert liefern und dadurch das Produkt wertvoller machen. Beispiele: Abhol- und Bring-Service, Installations-Service, Wartungs-Service, Beratungsangebote im Kauf-Kontext. Zusätzliche Leistungen sind zum Beispiel Garantien über die gesetzlichen Garantiezeiten hinaus, verlängerte Widerrufsfristen oder entgegenkommende Zahlungsmodalitäten.
Andere Aufmachung
Eine relativ einfache und kostengünstige Maßnahme ist, das Produkt in neuer Aufmachung zu präsentieren – ein wenig nach dem Motto: „alter Wein in neuen Schläuchen“. Eine schicke Verpackung oder ein etwas „aufgemotztes“ Design können die Kaufbereitschaft stimulieren und erwecken den Eindruck von „Neuheit“. Es geht mehr um einen emotionalen als um einen praktischen Zusatznutzen. Nicht selten wirkt das!
Angepasste Werbebotschaften
Werbung muss beim Kunden ankommen. Da Bedürfnisse, Wünsche und Interessen von Kund:innen sich ständig verändern, verliert selbst die erfolgreichste Werbebotschaft mit der Zeit an Zugkraft. Mit neuen, „zeitgemäßeren“ Inhalten kann (wieder) eine positive Wirkung erzielt werden. Wichtig dabei: die Botschaft muss „stimmen“ und das Werbeversprechen erfüllt werden, sonst drohen Enttäuschung und ein Glaubwürdigkeitsdefizit. Beispiel: In Zeiten gewachsenen Umweltbewusstseins Neuausrichtung der Werbebotschaft auf Umweltfreundlichkeit, Sauberkeit, CO2-Neutralität, Verwendung erneuerbarer Ressourcen usw..
Verstärkte Werbeanstrengungen
Haben in der Reifephase von Produkten oft nur noch einen begrenzten Plus-Effekt, insbesondere wenn die Werbebotschaft die gleiche bleibt. Aufmerksamkeit mit positiven Impulsen erzielt man vor allem mit neuen Inhalten (siehe vorheriger Punkt). Verstärkte Werbung kann hier dazu dienen, die Produkt- und Markenbekanntheit zu erhalten – nicht mehr und nicht weniger.
Preissenkung
Man kann versuchen, den Absatz mit Preissenkungen zu stärken. Dieses Mittel wird oft gewählt, wenn Wettbewerber vermehrt mit Konkurrenzprodukten auf den Markt drängen. Preissenkungen sind allerdings ein zweischneidiges Schwert. Damit lässt sich zwar der Absatz und ggf. auch der Umsatz fördern, aber die Gewinnspannen der Marge sinken zwangsläufig. In der Regel wird daher auf dauerhafte Preissenkungen verzichtet und man beschränkt sich auf zeitlich befristete Aktionen oder Preisvorteile für besonders wertvolle Kunden.
Welche Vorteile hat die Anwendung des Produktlebenszyklus-Konzepts?
Warum lohnt es sich, sich näher mit Produktlebenszyklen zu beschäftigen? In diesem Beitrag haben wir versucht, diese Frage zu beantworten. Nachfolgend nochmals die wesentlichen Vorteile im Überblick:
- das Produktlebenszyklus-Konzept bietet eine systematische Grundlage für strategische Entscheidungen;
- es ermöglicht, fundierte Marketing-Entscheidungen zu treffen;
- es bietet einen guten Überblick, welchen Beitrag welche Produkte zum Unternehmenserfolg leisten;
- es liefert Antworten auf die Frage: mit welchen Produkten will ich künftig am Markt auftreten;
- es unterstützt effiziente Marketing-Investitionen;
- es erleichtert die Einschätzung der eigenen Position im Verhältnis zum Wettbewerb;
- es ist daher ein nützliches Instrument für die Standortbestimmung des eigenen Unternehmens und seine zukünftige Weiterentwicklung.
FAQ
Wann sollten Marketingmaßnahmen in den Produktlebenszyklus Phasen genutzt werden?
Marketingmaßnahmen bieten sich am besten während der Reifephase eines Produktes an. Das ist die profitabelste Phase und dadurch kann der Umsatz noch gesteigert werden.
Welche Faktoren beeinflussen die Phasen des Produktlebenszyklus?
Die Phasen im Produktlebenszyklus werden von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Zu den wichtigsten gehören:
- Produktmerkmale
- Produkteigenschaften
- Preis
- Zielgruppen
- Kunden und Kundinnen
- Erwartungen
In welcher Phase werden die maximalen Gewinne erzielt?
Die Gewinnmaximierung beziehungsweise das Umsatzmaximum findet sich in der Reifephase.
Wie kann die Reifephase verlängert werden?
Eine Verlängerung der Reifephase kann durch Produktvariationen und Rationalisierungsmaßnahmen zur Senkung der Kosten erreicht werden.
Auch Werbung, PR und Marketing können die Reifephase verlängern.
Wann wird mit dem Produkt erstmals ein Gewinn erzielt?
Die ersten Gewinne kommen mit dem Beginn der Wachstumsphase rein. Die Ausgaben für Promotion sind hier zwar noch gleichbleibend hoch, aber das Produkt verkauft sich besser und erzielt dadurch einen Gewinn.
Womit kann man die Sättigungsphase maximieren?
Mit einer Erhöhung der Werbung und einer Senkung der Kosten lässt sich die Sättigungsphase maximieren.
Auch die Entwicklung eines Nachfolgeproduktes oder von Produktvariationen sind hier hilfreich.