Definition: Was ist eine Entgeltfortzahlung (Lohnfortzahlung)?
Das deutsche Arbeitsrecht ist auf den Grundsatz ausgerichtet, dass ein:e Arbeitnehmer:in keinen Lohn erhält, wenn er:sie nicht arbeitet. Es gibt aber auch Tage, der:die Arbeitnehmer:in nicht arbeiten darf oder kann – und trotzdem bezahlt wird – wie zum Beispiel an Feiertagen oder im Krankheitsfall. Genau das ist die Entgeltfortzahlung.
Wer hat Anspruch auf die Entgeltfortzahlung und welche Voraussetzungen gibt es?
Grundsätzlich hat jede:r Arbeitnehmer:in, auch Aushilfskräfte, 450-Euro-Jobber und Student:innen, Anspruch auf eine Entgeltfortzahlung, wenn die folgenden Sachverhalte gegeben sind:
- Der:die Arbeitnehmer:in arbeitet bereits ohne Unterbrechung seit vier Wochen für eine:n Arbeitgeber:in. Ein:e neu eingestellte:r Arbeitnehmer:in hat in den ersten vier Wochen also keinen Anspruch auf eine Entgeltfortzahlung.
- Der:die Arbeitnehmer:in ist krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Dabei muss ein Zusammenhang zwischen der Arbeitsunfähigkeit und der Erkrankung bestehen. So kann zum Beispiel ein verstauchter Knöchel eine:n Fabrikarbeiter:in, der:die während der gesamten Arbeitszeit steht, außer Gefecht setzen, eine:n Büroarbeiter:in aber unter Umständen nicht.
- Die Arbeitsunfähigkeit darf nicht durch Selbstverschulden entstanden sein. Dazu zählt zum Beispiel ein Beinbruch durch einen alkoholbedingten Autounfall oder ähnliches. Eine Erkältung, die aufgrund eines Spaziergangs bei Kälte entstanden ist, kann hingegen nicht als selbstverschuldet gewertet werden.
- Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht auch dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall entstanden ist. Das gilt aber nur dann, wenn der:die Arbeitnehmer:in sich den Arbeitsanweisungen entsprechend verhalten hat.
Sind diese Tatsachen gegeben, sind Sie als Arbeitgeber:in dazu verpflichtet, Ihrem:Ihrer Mitarbeiter:in eine Lohnfortzahlung zu gewähren, jedoch gibt es hiervon auch immer Ausnahmen.
Wer zahlt, wenn der:die Arbeitgeber:in die Entgeltfortzahlung verweigert? Verweigert ein:e Arbeitgeber:in trotz unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit die Entgeltfortzahlung, so muss die Krankenkasse der:dem Arbeitnehmer:in das Krankengeld zahlen.
Wie lange ist die Dauer des Anspruchs?
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit besteht für 6 Wochen (= 42 fortlaufende Kalendertage ohne Rücksicht auf die Arbeitstage des:der erkrankten Arbeitnehmer:in, Sonn- oder Feiertage).
Die Berechnung der Entgeltfortzahlung erfolgt nach den §§ 187 f. BGB. Sie beginnt bei einem:einer Arbeitnehmer:in, der:die während des Arbeitstags wegen Arbeitsunfähigkeit die Arbeit niederlegen muss, erst am folgenden Tag zu laufen. Für den Tag der Erkrankung erhält der:die Arbeitnehmer:in das volle Arbeitsentgelt.
Wird der:die Arbeitnehmer:in vor Arbeitsantritt arbeitsunfähig, zählt dieser Tag für den Anspruchszeitraum bereits mit. Eine Arbeitsunfähigkeit während einer Streikteilnahme begründet keinen Anspruch; wird der:die Arbeitgeber:in nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bestreikt, bleibt der Anspruch dagegen bestehen. Der:die Arbeitnehmer:in kann durch entsprechende Erklärungen, sich am Streik zu beteiligen oder seine Streikteilnahme zu beenden, den Anspruch begründen oder entfallen lassen.
Ein so begründeter Anspruch entfällt nur dann, wenn dem:der Arbeitgeber:in eine Beschäftigung streikbedingt unzumutbar ist oder er seinen Betrieb stilllegt.
Der Anspruch entfällt ebenfalls bei einer Aussperrung. Ruht das Arbeitsverhältnis (z. B. bei Mutterschutzfristen, Sonderurlaub) bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit, verringert sich der Anspruchszeitraum nicht.
Der Zeitraum von 6 Wochen verlängert sich nicht um die Tage einer während der Arbeitsunfähigkeit hinzutretenden weiteren Erkrankung. Bei zeitlich nachfolgender, erneuter Arbeitsunfähigkeit infolge einer anderen Erkrankung entsteht dagegen ein weiterer Entgeltfortzahlungsanspruch in voller Länge.
Einschränkungen gelten bei einer erneuten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit . Bei einer Fortsetzungskrankheit aufgrund desselben Grundleidens entsteht ein erneuter Anspruch erst nach Ablauf von 6 Monaten nach dem Ende der ersten Arbeitsunfähigkeit. bzw. alle 12 Monate neu. Dieser 12-Monats-Zeitraum nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EFZG beginnt bei zeitlich aufeinander folgenden Arbeitsverhältnissen neu.
Der Anspruchszeitraum endet zu dem in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von einem:einer Ärzt:in festgesetzten Kalendertag bzw. mit Ablauf des 42. Kalendertags, wenn die Arbeitsunfähigkeit über diese Höchstgrenze fortbesteht.
Welche Pflichten haben Arbeitnehmer:innen?
Der:die Arbeitnehmer:in hat die Arbeitsunfähigkeit in jedem Fall unverzüglich mitzuteilen. Bei einer länger als drei Kalendertage andauernden Arbeitsunfähigkeit ist zudem der Nachweis durch Vorlage eines ärztlichen Attests am nächstfolgenden, individuellen Arbeitstag des:der erkrankten Arbeitnehmer:in zu erbringen (= frühestens, aber nicht zwingend der 4. Kalendertag der Arbeitsunfähigkeit).
Der:die Arbeitgeber:in kann die Vorlage der AU-Bescheinigung nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG auch schon früher, insbesondere bereits am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit verlangen. Dieses Recht steht im nicht weiter gebundenen Ermessen des:der Arbeitgeber:in; insbesondere ist es nicht erforderlich, dass gegen den Arbeitnehmer:innen ein begründeter Verdacht besteht, er habe in der Vergangenheit eine Erkrankung nur vorgetäuscht, oder ein sonstiger Sachgrund vorliegt.
Eine tarifliche Regelung steht dem freien Ermessen nur entgegen, wenn sie das Recht des:der Arbeitgeber:in aus § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG ausdrücklich ausschließt. Bei einer allgemeinen Regelung zur Pflicht frühzeitiger Vorlage der AU-Bescheinigung hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.
Verstöße des:der Arbeitnehmer:in begründen ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht des:der Arbeitgeber:in bis zur Vorlage der geforderten Erklärungen. Allerdings kann der:die Arbeitgeber:in im Wiederholungsfall kündigen und Schadensersatzansprüche geltend machen.
In welcher Höhe wird das Arbeitsentgelt fortgezahlt?
Der Entgeltfortzahlungsanspruch ist ein Anspruch auf die geschuldete Entgeltzahlung und kein Lohnersatzanspruch. Damit erfasst der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn auch die arbeitsunfähigkeitsbedingten Entgeltfortzahlungszeiträume.
Die Entgeltfortzahlung beträgt nach § 4 Abs. 1 EFZG 100 %. Es gilt das Entgeltausfallprinzip. Der:die Arbeitnehmer:in soll durch die Krankheit nicht schlechter, aber auch nicht bessergestellt werden, als er stehen würde, wenn er gearbeitet hätte. Der:die Arbeitgeber:in hat das Arbeitsentgelt fortzuzahlen, das dem:der Arbeitnehmer:in bei der für ihn:ihr maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zusteht.
Nicht fortzuzahlen sind Auslösungen, Schmutzzulagen und ähnliche Leistungen, die an tatsächlich entstandene Aufwendungen des:der Arbeitnehmer:in anknüpfen. Fortgezahlt werden Funktionszulagen sowie in einem einheitlichen Lohnbetrag aufgegangene Leistungen oder Leistungen, die Aufwendungen pauschal abgelten, nicht dagegen freiwillig gezahlte Trinkgelder, jedenfalls bei Fehlen einer besonderen Vereinbarung mit dem:der Arbeitgeber:in.
Bei der Bemessung der Entgeltfortzahlung werden Überstunden nicht berücksichtigt – ob diese Rechtsprechung vor dem MiLoG Bestand haben wird, erscheint zweifelhaft. Bei wegen der Arbeitsunfähigkeit ausgefallener Sonn- oder Feiertagsarbeit zählen auch die dafür zu zahlenden Zuschläge zur Entgeltfortzahlung.
Erhält der:die Arbeitnehmer:in Akkordlohn oder eine sonstige auf das Ergebnis der Arbeit abgestellte Vergütung, so ist der von dem:der Arbeitnehmer:in in der für ihn:ihr maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit erzielbare Durchschnittsverdienst der Berechnung zugrunde zu legen.
Das von dem:der Arbeitgeber:in während der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des:der Arbeitnehmer:in fortzuzahlende Arbeitsentgelt ist vorbehaltlich günstigerer Abreden als Bruttolohn zu zahlen. Von Lohnbestandteilen, die nur bei tatsächlicher Arbeitsleistung nicht der Lohnsteuer unterliegen, die aber im Fall der Krankheit zu versteuern sind (z. B. Nachtzuschläge), hat der:die Arbeitgeber:in Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen. Das Entgeltfortzahlungsgesetz gewährt dem:der Arbeiter:in keinen Ausgleich für das auf steuerrechtlichen Bestimmungen beruhende Absinken des Nettolohns.
Sonderzahlungen können für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit nach § 4a EFZG gemindert werden. Umfasst sind bspw. Anwesenheitsprämien und Weihnachtsgratifikationen. Maßgebend ist die Höhe des Arbeitsentgelts pro Arbeitstag innerhalb eines Jahresdurchschnitts.
Das Arbeitsentgelt als Bezugsgröße ist das Gesamtarbeitsentgelt, d. h. laufendes Entgelt einschließlich aller Zuschläge und der Sonderleistungen selbst. Es können alle krankheitsbedingten Fehlzeiten ohne Rücksicht auf Entgeltfortzahlungsansprüche berücksichtigt werden. Für die Ermittlung der Arbeitstage ist auf die individuelle Arbeitszeit des Arbeitnehmers abzustellen.
Von den vorgenannten gesetzlichen Regelungen kann durch einen Tarifvertrag auch zulasten der Arbeitnehmer:innen abgewichen werden.
Feiertag
Ist der:die Arbeitgeber:in für Arbeitszeit, die gleichzeitig infolge eines gesetzlichen Feiertags ausgefallen ist, zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verpflichtet, so bemisst sich die Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts für diesen Feiertag nach den unter Feiertagsarbeit dargestellten Regeln über die Entgeltzahlung an Feiertagen.
Kurzarbeit
Bei Kurzarbeit, bei der die gesunden Kollegen ein vermindertes Arbeitsentgelt erhalten, richtet sich grundsätzlich das wegen Arbeitsunfähigkeit fortzuzahlende Arbeitsentgelt nach der verkürzten Arbeitszeit.
Bei „Kurzarbeit Null“ entfällt der Anspruch. Das Kurzarbeitergeld selbst gehört nicht zum Arbeitsentgelt, das der:die Arbeitgeber:in fortzuzahlen hat.
Feiertag bei gleichzeitiger Kurzarbeit
Fallen Arbeitsunfähigkeit und Kurzarbeit mit einem Feiertag zusammen, ist von dem:der Arbeitgeber:in Feiertagsentgelt zu zahlen. Wegen der Höhe der Feiertagsentgeltzahlung gilt das unter Feiertagsarbeit Gesagte.
Wird die für einen Wochentag normalerweise anfallende Arbeit durch Betriebsvereinbarung aufgrund eines Tarifvertrags in zulässiger Weise anderweitig verteilt (z. B. wenn der Donnerstag ein Feiertag ist, Freitag als sog. Brückentag arbeitsfrei), so hat der:die Arbeitnehmer:in, der an dem arbeitsfreien Tag noch arbeitsunfähig krank ist, für diesen Tag keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Kündigung
Wird ein Arbeitsverhältnis „aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit“ gekündigt, behält der:die Arbeitnehmer:in den Entgeltfortzahlungsanspruch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus. Dies gilt auch bei Erkrankung schon während der Wartefrist. Es muss eine wirksame Kündigung vorliegen; „Anlass“ i. S. des § 8 EFZG und Kündigungsgrund müssen sich nicht decken. Die Krankheit muss nur der entscheidende Anstoß sein.
Entgeltfortzahlung Rechner
Mit dem Entgeltfortzahlungsrechner berechnen Sie die Höhe und Dauer der Entgeltfortzahlung bzw. Lohnfortzahlung unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren wie Vorerkrankungen, Wartezeiten und Fristen.