Ebenfalls gesetzlich nicht vorgeschrieben ist die Protokollierung der Gesellschafterbeschlüsse; eine Protokollpflicht wäre erforderlich, wenn die Digital-Consulting GmbH die Rechtsform einer Aktiengesellschaft hätte. Aber Markus war selbst bestrebt, analog der Empfehlung der gesellschaftsrechtlichen Experten:innen, die Beschlüsse detailliert zu Nachweis- und Dokumentationszwecken schriftlich zu protokollieren. Eine notarielle Beurkundung wäre lediglich bei besonderen Beschlüssen erforderlich, beispielsweise bei Änderungen des Gesellschaftsvertrags oder bei Umwandlungen oder Verschmelzungen.
Eine der ersten Amtshandlungen des Versammlungsleiters in der eröffneten Gesellschafterversammlung war es daher, einen Protokollführer vorzuschlagen und dessen Wahl zu beschließen lassen. Wenig überraschend wurde Markus für das Protokoll auserwählt – er war darauf vorbereitet und wusste, was hier auf ihn zukam. Es war Bestandteil seiner Aufgaben in seiner neuen Position.
Im Rahmen der Vorbereitungen für diese „ehrenvolle“ Aufgabe hatte Markus bereits erarbeitet, dass im Protokoll der Gesellschafterversammlung folgende Angaben enthalten sein sollten:
- Versammlungsdatum und -ort
- Beginn und Ende (Uhrzeit)
- Name des Versammlungsleiters/der Versammlungsleiterin
- Anwesenheitsliste aller Teilnehmer:innen
- Stimmberechtigung der Teilnehmer:innen
- Nachweis von Vollmachten
- Art der Abstimmung über Beschlüsse (Stimmabgabe)
- Vorliegende Anträge und deren Abstimmungsergebnis
- ggfs. vorliegende Auskunftsverlangen und die erteilten Inhalte
- ggfs. vom Versammlungsleiter:in verhängte Ordnungsmaßnahmen
Der Versammlungsleiter hatte auch ordnungsgemäß die Beschlussfähigkeit der Versammlung festgestellt; es waren mindestens 75 % der satzungsgemäß vorgeschriebenen Stimmrechte anwesend. Wäre diese Vorgabe nicht erfüllt worden, hätten in der Versammlung keine Beschlüsse gefasst werden können. Ein Blick in die Satzung hätte verraten, dass in diesem Fall eine neue Gesellschafterversammlung einzuberufen wäre – unter Einhaltung der Frist- und Formvorgaben. Die zweite Versammlung wäre dann in jedem Fall beschlussfähig. Diese Zwangsvorgabe soll verhindern, dass durch Nichterscheinen von Gesellschaftern die Beschlussfähigkeit einer Gesellschafterversammlung torpediert werden kann.
Dieser Sonderweg war Markus und dem Versammlungsleiter für die erste ordentliche Gesellschafterversammlung der Digital-Consulting GmbH erspart geblieben. Alle Gesellschafter waren vor Ort und die geplanten Beschlüsse konnten gefasst werden.
Für die Standard-Beschlüsse reicht nach gesetzlicher Vorgabe die einfache Mehrheit, also mehr als 50 % der abgegebenen Stimmen. Dies regelt der § 47 Abs. 1 GmbHG für die Versammlungsfälle, bei denen keine anderweitige, vorrangige Regelung im Gesellschaftsvertrag vorhanden ist. Das Gesetz teilt für jeden Euro eines Geschäftsanteils eine Stimme zu; im Falle einer Standard-GmbH mit 25.000 EUR Stammkapital stehen also 25.000 Stimmen zur Verfügung. Die Digital-Consulting GmbH hatte die gesetzliche Regelung zur Stimmabgabe in die Satzung übernommen, daher war die Hürde für die Beschlussfassung auch hier 50 % der Stimmen. Zur Anwendung kam allerdings die Besonderheit, dass die Stimmen eines nicht stimmberechtigten Gesellschafters nicht berücksichtigt werden (dürfen).
Im Gegensatz zu den Stolpersteinen und Hürden im Verlauf der Vorbereitungen zur Gesellschafterversammlung verlief die tatsächliche Versammlung dann störungsfrei. Der Versammlungsleiter führte souverän durch alle Tagesordnungspunkte und die Beschlüsse konnten wie vorbereitet gefasst werden. Für Markus war nur noch die Protokollierung der Versammlung zu erledigen. Dies war jedoch eine Aufgabe, die nicht auf einer gesetzlichen Anforderung beruhe. Behördlich erforderlich wäre ein Protokoll nur, wenn eine Abberufung eines Geschäftsführers beschlossen worden wäre, die dann noch im Handelsregister zur Eintragung angemeldet werden müsste. Besonderheiten bestünden auch im Falle einer Ein-Personen-GmbH, also einer GmbH, die nur einen Gesellschafter hat, oder bei einer 100 %-igen Tochter-GmbH – dann müsste von Gesetzes wegen (§ 48 Abs. 3 GmbHG) ein Beschlussprotokoll angefertigt und durch den Gesellschafter oder die Mutter-Gesellschaft unterzeichnet werden.
Markus wollte sich nach dem Termin noch für die (denkbaren) Fälle vorbereiten, dass eine Versammlung nicht so harmonisch verläuft. In erster Linie ist es die Aufgabe des Versammlungsleiters, Einwände und Proteste während der Versammlung zu behandeln und im optimalen Fall zu entkräften. Sollten aber Unstimmigkeiten und Einwände noch nachwirken, steht den protestierenden Gesellschaftern, die möglicherweise während der Versammlung in der Minderheit waren und somit nicht positiv auf die Beschlussfassung einwirken konnten, grundsätzlich der Klageweg offen. Im Rahmen von sogenannten „Beschlussmängelklagen in der GmbH“ können Beschlüsse, Beschlussergebnisse und Änderungen von erfolgten Beschlussinhalten in gerichtlichen Verfahren behandelt werden. Zur Anwendung kommen in diesen Fällen Anfechtungs- Nichtigkeits- oder Feststellungsklagen. Anfechtbar ist auch nachträglich die eigene Stimmabgabe, wenn die juristischen Tatbestandsmerkmale für arglistische Täuschung, Drohung oder Irrtum erfüllt sind.
Zur Erhebung von Klagen nach GmbH-Recht ist eine Klagefrist einzuhalten; in vielen Satzungen ist hier ein entsprechender Zeitraum definiert. Gibt es keine Regelung im Gesellschaftsvertrag, wird in der Regel die aus dem Aktienrecht für Anfechtungsklagen gültige Monatsfrist herangezogen. Die gesellschaftsvertragliche Festlegung einer Klagefrist ist konfliktbehaftet. Zum einen besteht das Ziel, eine möglichst kurze Frist zu haben, damit nach deren Ablauf schnell Rechtssicherheit über die Beschlüsse und die Versammlung eintritt. Auf der anderen Seite führt eine zu kurze Frist dazu, dass im Streitfall nur wenig Zeit für eine außergerichtliche Einigung zur Verfügung steht. Droht die Frist ohne Beilegung der Streitigkeiten abzulaufen, treibt dies die streitenden Gesellschafter:in unter Umständen in den Klageweg, um den Fristablauf zu verhindern.
In der Satzung der Digital-Consulting GmbH war keine individuelle Klagefrist festgesetzt worden; da Markus aber auch für mögliche Streitfälle vorbereitet sein wollte, schlug er den Gesellschaftern für die nächste Versammlung eine diesbezügliche Änderung der Satzung vor. Eine Klagefrist von zwei Monaten hielt Markus für einen guten Zwischenweg – die Gesellschafterversammlung würde dies diskutieren und eventuell beschließen. Die nächste Organisation, Einberufung und Begleitung war Markus also sicher. Gesellschafterversammlungen sind eine regelmäßige und wiederholende Pflichtveranstaltung im Leben einer GmbH.