Dem Arbeitgeber oder Jobcenter vom Nebengewerbe erzählen
Eine Frage, die viele Gründer:Innen umtreibt, die ein Klein- oder Nebengewerbe mit bis zu 20 Stunden pro Woche anmelden möchten ist, ob eine Pflicht besteht, dem Arbeitgeber von der Tätigkeit zu erzählen. In Deutschland gilt die sogenannte Gewerbefreiheit. Sie erlaubt jede:r Bundesbürger:In, ein eigenes Gewerbe zu betreiben, egal in welcher Branche, solange es sich dabei um eine legale Tätigkeit handelt. Unternehmen können ihren Mitarbeiter:Innen also nicht untersagen, eine Nebentätigkeit auszuführen – zumindest in der Theorie.
In der Praxis gilt neben der allgemeinen Gesetzeslage auch die Vereinbarung im Rahmen von Arbeitsverträgen und Anstellungsverhältnissen allgemein. So sieht beispielsweise das Beamtenrecht vor, dass Beamt:Innen sich in der Öffentlichkeit stets loyal zum Arbeitgeber auf Landes- oder Bundesebene zu verhalten haben und ein repräsentatives Bild eine:r „Staatsdiener:In“ abgeben müssen. Immer wieder landen beispielsweise Fälle vor dem Arbeitsgericht, in denen Unternehmen und Behörden versucht haben, ein Arbeitsverhältnis aufzulösen, weil Details zum Privatleben einer Person den vermeintlichen Ansprüchen an die Mitarbeitenden nicht gerecht wurden. Im Haupterwerb Chefsekretärin eines großen Konzerns und im Nebenerwerb Influencerin oder eine ähnlich öffentliche Karriere? Rechtlich ist das möglich, praktisch jedoch können Interessenkonflikte entstehen, wenn Kund:Innen die Person am Empfang wiedererkennen.
Das Nebengewerbe sollte also nur für solche Tätigkeiten genutzt werden, die neben der Legalität auch mit dem gewünschten persönlichen Bild in der Öffentlichkeit zusammenpassen. Rechtlich gibt es keine Verpflichtung, in einer Anstellung offenzulegen, dass man ein Nebengewerbe anmelden möchte. Doch natürlich sollte sich daraus weder eine Konkurrenzsituation zum Arbeitgeber, noch ein Interessenkonflikt ergeben. Auch Interna aus der Anstellung dürfen natürlich nicht beruflich „zweitverwertet“ werden.
Keine Angst vor Scheingewerbe-Vorwürfen beim Nebengewerbe anmelden
Eine Sorge, die viele Gründer:Innen umtreibt, die ein Nebengewerbe anmelden möchten, ist die vor dem Vorwurf eines Scheingewerbes. Ein Scheingewerbe ist eine selbstständige Tätigkeit, die entweder den Kund:Innen oder der Anmelder:In Vorteile verschafft, aber Finanzamt und Versicherungen um Zahlungen bringt. So versuchen immer wieder größere Unternehmen, Selbstständige anzuwerben, die dauerhaft für sie tätig sind und das exklusiv. Statt einer sozialversicherten Anstellung wird angeboten, auf eigene Steuer-, Sozialabgaben- und Versicherungskosten vom Homeoffice aus für das Unternehmen zu arbeiten, teils sogar zu gleichen Sätzen wie Angestellte. Der Unterschied liegt auf der Hand. Selbstständige haben kein Anrecht auf Urlaubstage. Bei Ausfall wird kein Krankengeld gezahlt. Der Arbeitgeber zahlt weder in Renten-, noch in Sozialkassen ein und trägt keinerlei Verantwortung für die Bearbeitung von Aufträgen, Büroausstattung, das Arbeitsklima oder die Arbeitszeiten der selbstständigen Person.
Scheinselbstständigkeit steht auch dann im Raum, wenn keinerlei Einnahmen erzielt werden, aber jedes Jahr hohe Ausgaben verbucht. Was genau „hoch“ bedeutet entscheidet das zuständige Finanzamt. Wer erstmals ein Nebengewerbe anmeldet, sich eine Kamerausrüstung für 20.000 Euro kauft, sich diesen Betrag über die Steuer abschreibt, aber nur Bilder im Wert von 100 Euro über das ganze Jahr verkauft, auch das dritte Jahr in Folge, muss mit einer Steuerprüfung rechnen.
Sind das nicht alles Gründe zur Sorge, das Nebengewerbe anzumelden? Auch im Finanzamt arbeiten echte Menschen. Keine Sorge also davor, bei der geringen Einnahmen vor Gericht zu stehen. Das Nebengewerbe ist genau dafür gedacht, Unternehmungen und Ideen auszuprobieren, auch wenn der Gewinn nicht garantiert ist. Es gibt immer Spielraum für Anschaffungen, um eine Tätigkeit zunächst aufzunehmen und Möglichkeiten, diese Tätigkeit auch nachzuweisen. Wichtig ist eine absolut exakte Buchhaltung, über die sich alle Einnahmen und Ausgaben nachweisen lassen.
Fazit: Das Nebengewerbe bietet vor allem Freiheiten
Nur rund 20 bis 60 Euro kostet es, ein Nebengewerbe anzumelden. Ob als Handwerker:In, Dienstleister:In oder Händler:In, die Ausgestaltung der Selbstständigkeit kann bei bis zu 20 Stunden Arbeit pro Woche mehr oder weniger spielerisch ausprobiert werden. Für ein Nebengewerbe muss die Anstellung nicht gekündigt werden, Firmen müssen nicht einmal von der Tätigkeit ihrer Mitarbeitenden erfahren. Dadurch bietet dieses Modell auch solchen Gründer:Innen einen geschützten rechtlichen und steuerlich legalen Rahmen, die noch nicht wissen, ob Sie ein Unternehmen wirklich aufbauen und führen können und möchten.
Nachteile wie der Verzicht auf einen staatlichen Gründungszuschuss sind nicht von der Hand zu weisen. Buchhaltung und Aktenführung sind ähnlich umfangreich wie im Hauptgewerbe. Dafür lässt sich das Nebengewerbe auch problemlos wieder auflösen und falls sich die Umsatzplanung aus dem Businessplan nicht erreichen lässt, entstehen keine finanziellen Verpflichtungen, wie beispielsweise bei der Gründung eines Unternehmens mit Startkapital und Investorenbindung. Eine Chance für alle, die sich langsam an die Selbstständigkeit herantasten möchten.