Reverse-Charge-Verfahren

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    Reverse-Charge-Verfahren: Eine Definition

    Bei Produktverkäufen oder Dienstleistungen muss in der Regel das leistende Unternehmen die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Es gibt jedoch Fälle, in denen das Vorgehen genau andersherum ist. Dann muss der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer zahlen. Wenn dies passiert, nennt man dies Reverse-Charge-Verfahren.

    Besonders relevant ist diese Umkehr der Steuerschuld innerhalb Europas. Sie spielt jedoch generell sowohl im In- als auch im Ausland oder gegenüber Drittländern eine große Rolle. Wichtig ist, dass Sie als Leistender in Ihren Reverse-Charge-Verfahren-Rechnungen keine Umsatzsteuer ausweisen dürfen – Sie müssen allerdings einen entsprechenden Reverse-Charge-Vermerk auf die Rechnung schreiben.

    Umsatzsteuer

    Fälle des Reverse-Charge-Verfahrens

    Um Ihnen den Sachverhalt deutlicher zu machen, finden Sie an dieser Stelle entsprechende Beispiele. Sie sollen Ihnen zeigen, warum es ohne die Umkehr der Steuerschuld häufig zu Missbrauch kommt. Oftmals liegt es daran, dass Leistende mutwillig die Umsatzsteuer nicht abführen, der Leistungsempfänger allerdings trotzdem den dazugehörigen Vorsteuerabzug erhielt. Beim Reverse-Charge-System ist es jedoch so, dass der Berechtigte für den Vorsteuerabzug identisch ist mit dem Schuldner der Umsatzsteuer.

    In den nachfolgenden Reverse-Charge-Verfahren-Beispielen ist nicht der Leistende der Schuldner der deutschen Umsatzsteuer, sondern der Leistungsempfänger – in Spalte drei finden Sie die Voraussetzungen, die zu diesem Umkehrschluss führen.

    Art der Leistung gemäß § 13 Abs. 2 UStGLeistender ist ein:Leistungsempfänger muss laut § 13b Abs. 5 UStG sein:
    Nr. 1: Werklieferungen, sonstige Leistungenim Ausland ansässiger Unternehmer (+§ 13b Abs. 1 UStG)Juristische Person oder Unternehmen
    Nr. 2: Lieferung sicherungsübereigneter Gegenstände

    (beispielsweise durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer außerhalb des Insolvenzverfahren)

    UnternehmerJuristische Personen oder Unternehmen
    Nr. 3: unter das Grunderwerbsteuergesetz fallende Umsätze

    (das können unter anderem steuerpflichtige Grundstückslieferungen sein)

    UnternehmerUnternehmer, der für sein Unternehmen erwirbt
    Nr. 4: Bauleistungen

    (abgesehen von Überwachungs- und Planungsleistungen fallen in diese Rubrik neben Werklieferungen vor allem Leistungen, die im folgenden Rahmen entstehen:

    • Herstellung
    • Instandhaltung
    • Instandsetzung
    • Änderungen / Beseitigungen von Bauwerken)
    Unternehmerein Unternehmer, der selbst nachhaltig Bauleistungen erbringt
    Nr. 5 (Buchst.a): Lieferung von Gas über das Erdgasnetz, von Elektrizität oder von Wärme oder Kälte über Wärme oder Kältenetze unter den Bedingungen des § 3g UStGim Ausland ansässiger UnternehmerUnternehmer
    Nr. 5 Buchst.b: nicht unter 5 Buchst. a fallende Lieferungen
    -von Erdgas über das ErdgasgesetzUnternehmerUnternehmer, der selbst Erdgas liefert (=Wiederverkäufer i. S. d § 3g UStG)
    -von ElektrizitätUnternehmer, der Wiederverkäufer i. S. d § 3g UStG istUnternehmer, der Wiederverkäufer i. S. d. § 3g UStG ist
    Nr. 6: Übertragung von Berechtigungen nach § 3 Abs. 4 des Treibhausgas-EmmisionshandelsgesetzesUnternehmerUnternehmer
    Nr. 7: Lieferungen von Altmetallen, Abfallstoffen oder IndustrieschrottUnternehmerUnternehmer
    Nr. 8: Gebäudereinigung oder Reinigung von GebäudeteilenUnternehmerUnternehmer, der selbst nachhaltig Gebäudereinigungsleistungen erbringt
    Nr. 9: steuerpflichtige Lieferungen von Gold mit einem Feingehalt von mindestens 325/1.000, in Rohform oder als Halbzeug und von Goldplattierungen mit einem Goldfeingehalt von mindestens 325/1.000Unternehmer
    Nr. 10: Lieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern und Spielekonsolen sowie integrierten Schaltkreisen

    (wichtig ist hierbei: Vor Einbau in einen zur Lieferung auf der Einzelhandelsstufe geeigneten Gegenstand, wenn die Summe der für die betroffenen Gegenstände in Rechnung zu stellenden Entgelte im Rahmen eines wirtschaftlichen Vorgangs mindestens 5.000 EUR beträgt.)

    UnternehmerUnternehmer
    Nr. 11: Lieferung der in der Anlage 4 zum UStG aufgezählten Edelmetalle und unedlen Metalle

    (Jedoch nur, wenn die Summe der für die betroffenen Gegenstände in Rechnung zu stellenden Entgelten im Rahmen eines wirtschaftlichen Vorgangs mindestens 5.000 EUR beträgt.)

    UnternehmerUnternehmer

    Bei den oben genannten Fällen kann es auch zu einem Reverse-Charge-Verfahren zwischen Privatpersonen kommen – es sei denn, es handelt sich um eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Diese stellt hierbei eine Ausnahme dar.

    Sofern Sie als lieferndes Unternehmen jedoch alle Voraussetzungen der Differenzbesteuerung erfüllen, findet keine Umkehr der Steuerschuldnerschaft statt. Laut § 13b UstG schuldet der Leistungsempfänger in diesen Fällen die Umsatzsteuer:

    • Wenn sein Sitz im Ausland liegt.
    • Wenn er in der Land- oder Forstwirtschaft tätig ist.
    • Wenn es sich um einen Unternehmer handelt, der wie Ärzte oder auch Krankenhäuser ausschließlich steuerfreie Umsätze generiert.

    Eine große Ausnahme stellt die Kleinunternehmerregelung nach § 19 UstG dar. In diesem Fall gilt das Reverse-Charge-Verfahren nicht.

    Hinweis: Anwendungsbereich des Reverse-Charge-Verfahrens wird ständig erweitert

    Häufige Anwendungsfälle für das Reverse-Charge-Verfahren sind die Leistungen im Ausland ansässiger Unternehmer und die sog. Bauleistungen. Sonstige Anwendungsfälle dürfen aber ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden, zumal ihre Anzahl stetig steigt, weil das Verfahren (auch von der EU) als effektives Mittel gegen Umsatzsteuerbetrug angesehen wird.

    Die letzten Änderungen sind zum 1.10.2014 in Kraft getreten. Wichtige Hinweise dazu enthält das BMF-Schreiben vom 26.9.2014.

    Zeitpunkt der Abführung der überwälzten Umsatzsteuer (Entstehung)

    Für nach § 3a Abs. 2 UStG im Inland steuerpflichtige sonstige Leistungen eines im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers (= Leistender) entsteht die Steuer beim Leistungsempfänger mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Leistungsausführung.

    Korrespondierend dazu muss der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Leistende die von ihm getätigte sonstige Leistung in seinem Land in der Zusammenfassenden Meldung (ZM) im Zeitpunkt der Leistungsausführung angeben (mit USt-IdNr. des Leistungsempfängers).

    Bei den übrigen sonstigen Leistungen (= Leistender ist im Inland oder Drittland ansässig) und bei allen Werklieferungen mit Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers entsteht die Steuer im Rahmen des Reverse-Charge-Verfahren mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats. Dies gilt auch für die sog. Teilleistungen.

    Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder Teilleistung ausgeführt worden ist (Anzahlungen), entsteht insoweit die überwälzte Umsatzsteuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Vereinnahmung des Entgelts. Hier kann der Leistungsempfänger den Zeitpunkt ansetzen, in dem er die Beträge verausgabte.

    Dauerleistungen: Abweichend von § 13b Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStG entsteht die Steuer für dauerhaft über einen Zeitraum von mehr als 1 Jahr erbrachte sonstige Leistungen spätestens mit Ablauf des Kalenderjahrs ihrer tatsächlichen Erbringung.

    Berechnung der Reverse-Charge-Umsatzsteuer

    Die Reverse-Charge-Umsatzsteuer des Leistungsempfängers berechnet sich von dem in der Rechnung (Gutschrift) ausgewiesenen (Netto-)Betrag ohne Umsatzsteuer (= keine Herausrechnung). Maßgeblich ist der Steuersatz, der sich für den vom Leistenden erbrachten Umsatz nach § 12 UStG ergibt.

    Für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer im Reverse-Charge-Verfahren gelten folgende Sonderregelungen:

    • Bei tauschähnlichen Umsätzen mit oder ohne Baraufgabe gilt § 10 Abs. 2 Sätze 2, 3 UStG;
    • bei Leistungen zwischen nahestehenden Personen ist die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 UStG anzusetzen;
    • bei einem im Zwangsversteigerungsverfahren gelieferten Grundstück ist das Meistgebot der Berechnung als Nettobetrag zugrunde zu legen.

    Bei nachträglicher Änderung der Bemessungsgrundlage muss der Leistungsempfänger die angemeldete Umsatzsteuer und ggf. den Vorsteuerabzug entsprechend berichtigen.

    Rechnungserteilung des Leistenden

    Beim Reverse-Charge-Verfahren muss der Leistende bei der Ausstellung seiner Rechnung neben den übrigen Angaben nach § 14 Abs. 4 UStG Folgendes beachten:

    • Umsatzsteuer darf nicht gesondert ausgewiesen werden (nicht schädlich ist es, wenn in der Zeile Umsatzsteuer „0,00 EUR“ angegeben wird);
    • der Leistungsempfänger ist auf die von ihm geschuldete Umsatzsteuer hinzuweisen. Hierbei ist folgender Wortlaut zu verwenden: „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“. Wird die Rechnung an einen nicht deutsch-sprachigen Leistungsempfänger gestellt, empfiehlt es sich zusätzlich folgende international bekannten Ausdrücke zu verwenden: „es greift das Reverse-Charge-Verfahren“, „VAT due do the recipient“, „Recipient of the service is liable for VAT according reverse charge mechanism“.

    Erfolgt der o. g. Hinweis nicht oder nicht entsprechend dem gesetzlich vorgesehenen o. g. Wortlaut, bleibt der Leistungsempfänger trotzdem Steuerschuldner nach § 13b USt.

    • Bei grenzüberschreitenden sonstigen Leistungen zwischen EU-Unternehmern ist die USt-IdNr. des Leistenden und des Leistungsempfängers anzugeben.

    Wichtig: Folgen bei irrtümlichem Ausweis der Umsatzsteuer

    Weist der Leistende – trotz des Reverse-Charge-Verfahrens – Umsatzsteuer in der Rechnung gesondert aus,

    • muss er die „zu hoch ausgewiesene Rechnungssteuer“ nach § 14c Abs. 1 UStG an das Finanzamt abführen.
    • bleibt der Leistungsempfänger trotzdem Steuerschuldner nach § 13b UStG;
    • erhält der Leistungsempfänger aus der in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer keinen Vorsteuerabzug (führt bei Betriebsprüfungen zu Steuer- und Zinsnachzahlungen).

    Erfolgt später deshalb eine Rechnungsberichtigung des Leistenden mit Ausweis des Nettobetrags ohne Umsatzsteuerausweis, erhält er die Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG erst in dem Voranmeldungszeitraum vom Finanzamt zurück, indem er dem Leistungsempfänger die Umsatzsteuer zurückerstattet hat. Hierfür ist jedoch nicht Voraussetzung, dass der Leistungsempfänger den zu Unrecht erhaltenen Vorsteuerabzug an das Finanzamt zurückzahlt.

    Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers

    Der Leistungsempfänger kann während des Reverse-Charge-Verfahrens die von ihm nach § 13b Abs. 5 UStG geschuldete Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen, wenn er

    • die bezogene Leistung für sein Unternehmen bezieht und
    • damit vorsteuerabzugsberechtigende Ausgangsumsätze tätigt.

    Wichtig: Ordnungsgemäße Rechnung für Vorsteuerabzug nicht erforderlich

    Für den Vorsteuerabzug aus der Reverse-Charge-Umsatzsteuer ist eine ordnungsgemäße Rechnung nach § 14 Abs. 4 UStG nicht erforderlich.

    Weist der Leistende in seiner Rechnung zu Unrecht Umsatzsteuer aus, erhält der Leistungsempfänger hieraus keinen Vorsteuerabzug.

    Der Vorsteuerabzug aus der Umsatzsteuer des Reverse-Charge-Verfahrens ist in der gleichen Umsatzsteuervoranmeldung bzw. Jahreserklärung wie die Reverse-Charge-Umsatzsteuer anzumelden.

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    Leistungsempfänger: Voranmeldungen und Buchführung

    Die nach § 13b UStG geschuldete Umsatzsteuer hat der betroffene Leistungsempfänger in seiner Umsatzsteuervoranmeldung und in seiner Umsatzsteuererklärung anzugeben. Besteht keine allgemeine Pflicht zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen (z. B. bei Kleinunternehmern; bei Gebäudevermietern, Heilberuflern, Bausparkassen- oder Versicherungsvertretern, die nur steuerfreie vorsteuerausschließende Umsätze tätigen), muss der Leistungsempfänger die auf ihn nach § 13b UStG überwälzte Umsatzsteuer dennoch in einer vierteljährlichen Voranmeldung und in der Jahreserklärung anmelden.

    Zur zutreffenden Erfassung der geschuldeten Umsatzsteuer in der Umsatzsteuervoranmeldung des Reverse-Charge-Verfahrens sollten im kreditorischen Bereich der Eingangsrechnungen beim Leistungsempfänger verschiedene Steuerkennzeichen verwendet werden für:

    • bezogene sonstige Leistungen von im EU-Ausland ansässigen Unternehmern mit USt-IdNr. (Zeile 48 der Umsatzsteuervoranmeldung bzw. Zeile 22 der Umsatzsteuererklärung (Anlage UR));
    • andere bezogene Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers (z. B. Lieferung von Gas, Elektrizität sowie Wärme oder Kälte über Wärme- oder Kältenetze nach § 3g UStG) (Zeile 49 der Umsatzsteuervoranmeldung bzw. Zeile 23 der Umsatzsteuererklärung (Anlage UR));
    • den Erwerb sicherungsübereigneter Gegenstände durch den Sicherungsnehmer und unter das Grunderwerbsteuergesetz fallende umsatzsteuerpflichtige (Grundstücks)Umsätze (Zeile 50 der Umsatzsteuervoranmeldung bzw. Zeile 24 der Umsatzsteuererklärung (Anlage UR));
    • Bezug von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern, Spielekonsolen sowie integrierten Schaltkreisen (Zeile 51 der Umsatzsteuervoranmeldung und Zeile 25 der Umsatzsteuererklärung (Anlage UR));
    • Andere bezogene Leistungen nach § 13b Abs. 2 Nr. 4, 5 Buchst. b, Nr. 6–9 und 11 UStG (von Inlandsunternehmern bezogene „Bauleistungen„; Lieferung Industrieschrott, Altmetall etc.; Gebäudereinigung, Übertragung Berechtigung nach § 3 Abs. 4 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes, Lieferung von Edelmetallen und unedlen Metallen, Zeile 52 der Umsatzsteuervoranmeldung bzw. Zeile 26 der Umsatzsteuererklärung (Anlage UR));

    Der Leistende muss die o. g. Umsätze als sog. „nicht steuerbare Leistungen“ in Zeile 40 bzw. 41 der Umsatzsteuervoranmeldung angeben.

    Unzutreffende Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens: Vertrauensschutzregelung

    Beim Reverse-Charge-Verfahren des § 13b UStG kommt es in der Praxis oft zu Fehlern. Für die Fälle des § 13b Abs. 2 Nr. 4 (Bauleistungen), Nr. 5 Buchst. b („Lieferung von Gas über das Erdgasnetz und von Elektrizität, die nicht unter § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a UStG fallen“) und Nr. 7–11 UStG (Lieferung von „Schrott“, Lieferung von bestimmtem Gold, Lieferung von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern, Spielekonsolen und integrierten Schaltkreisen sowie Gebäudereinigungsleistungen, Lieferung von Edelmetallen und unedlen Metallen) gilt daher folgende gesetzliche Vertrauensschutzregelung:

    Sind Leistungsempfänger und leistender Unternehmer

    • in Zweifelsfällen übereinstimmend von der Übertragung der Steuerschuldnerschaft ausgegangen,
    • obwohl dies nach der Art der Umsätze objektiv Kriterien falsch war,

    gilt der Leistungsempfänger dennoch als Steuerschuldner, sofern dadurch keine Steuerausfälle entstehen.

    Von Übereinstimmung kann ausgegangen werden, wenn der Leistende in der Rechnung den Leistungsempfänger auf die Anwendung des § 13b UStG hingewiesen hat und dieser dem nicht widersprochen hat.

    Steuerausfälle im Reverse-Charge-Verfahren sind insoweit wohl nicht entstanden, wenn der jeweilige Umsatz vom Leistungsempfänger beim Finanzamt in zutreffender Höhe versteuert wurde. Letzteres kann der Leistende aber nicht „überprüfen“. Deshalb sollte in der Praxis bei „Zweifelsfällen“ eine schriftliche, von beiden zu unterschreibende Einigung über die Anwendbarkeit der Vereinfachungsregelung erfolgen. Hierin sollte der Leistungsempfänger versichern, „dass er den Umsatz in zutreffender Höhe nach § 13b UStG versteuern wird“.

    Praxisbeispiel: Musterformulierung

    „Am TT.MM.JJJJ hat U1 … kg der Ware („Schrott“) … an U2 geliefert. Die Vertragsparteien sind sich nicht sicher, ob die Ware unter Nr. … der Anlage 3 des UStG fällt und ob das Reverse-Charge-Verfahren anwendbar ist. Nach § 13b Abs. 5 Satz 7 UStG einigen sich die beiden Vertragsparteien hiermit auf seine Anwendbarkeit. U2 versichert hiermit, dass er die Umsatzsteuer i. H. v. …. im Rahmen des Reverse-Charge-Verfahrens ordnungsgemäß gegenüber dem für ihn zuständigen Finanzamt versteuert.“

    Hält U2 die Verpflichtung nicht ein, ist er dem U1 zum Schadensersatz verpflichtet (u. a. für die von U1 geschuldete Umsatzsteuer, Nachzahlungszinsen nach § 233a AO, Beratungskosten). Ist U2 jedoch zwischenzeitlich insolvent oder nicht mehr auffindbar, steht der Schadensersatzanspruch nur auf dem Papier und ist nicht mehr durchsetzbar.

    Wichtig: Unzutreffende Nichtanwendung des § 13b UStG

    Wird in der Praxis – trotz klarer Rechtslage – entgegen § 13b UStG das Reverse-Charge-Verfahren nicht angewendet, schuldet der Leistungsempfänger trotzdem die Umsatzsteuer nach § 13b UStG. Hat in diesen Fällen der Leistende in seiner Rechnung Umsatzsteuer ausgewiesen, schuldet er diese ebenfalls (zu hoher Umsatzsteuerausweis nach § 14c Abs. 1 UStG) und beim Leistungsempfänger wird das Finanzamt den aus der in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer gezogenen Vorsteuerabzug wieder zurückfordern (ggf. zzgl. Nachzahlungszinsen nach § 233a AO).

    Im Ausland ansässige Leistende: Besteuerungsverfahren

    Führt der im Ausland ansässige Unternehmer im Besteuerungszeitraum nur dem deutschen Reverse-Charge-Verfahren unterliegende Umsätze aus, muss er sich die ihm ggf. aus Eingangsleistungen belastete deutsche Vorsteuer beim Bundeszentralamt für Steuern vergüten lassen (Vorsteuervergütung).

    Der im Ausland ansässige Unternehmer muss im allgemeinen Besteuerungsverfahren bei einem der für Ausländer zentral zuständigen Finanzämter Umsatzsteuervoranmeldungen und Jahreserklärungen abgeben, wenn er

    • auch Umsätze getätigt hat, für die er selbst Steuerschuldner ist (z. B. an Nichtunternehmer),
    • selbst als Leistungsempfänger eine Steuer nach § 13b UStG schuldet,
    • eine Steuer nach § 14c UStG schuldet.

    Aufzeichnungspflichten

    Neben den allgemeinen Aufzeichnungspflichten müssen die dem Reverse-Charge-Verfahren unterliegenden Leistungsempfänger auch die an sie ausgeführten Reverse-Charge-Eingangsleistungen nach § 22 UStG aufzeichnen (auch wenn sie für den nichtunternehmerischen, hoheitlichen bzw. ideellen Bereich erfolgen).

    Obwohl in diesen Fällen der leistende Unternehmer wegen § 13b UStG nicht mehr Steuerschuldner ist, hat er die o. g. Angaben ebenfalls gesondert aufzuzeichnen.

    Reverse-Charge-Verfahren in anderen Ländern

    Das Reverse-Charge-Verfahren gilt nach Art. 196 der MwStSystRL in sämtlichen EU-Mitgliedstaaten für die grenzüberschreitende Erbringung von sonstigen Leistungen an EU-Unternehmer mit EU-USt-IdNr. nach § 3a Abs. 2 UStG. Insoweit muss sich der in Deutschland ansässige Leistende nicht im EU-Ausland registrieren lassen. Diese in Deutschland nicht steuerbaren sonstigen Leistungen sind gesondert in Zeile 41 der Umsatzsteuervoranmeldung zu erklären. Desweiteren sind diese Vorgänge in der Zusammenfassenden Meldung beim Bundeszentralamt für Steuern anzugeben (mit USt-IdNr. des EU-Leistungsempfängers). Bei den betroffenen Ausgangsrechnungen innerhalb eines Reverse-Charge-verfahrens sollte deshalb in der Buchhaltung ein besonderes Steuerkennzeichen verwendet werden; des Weiteren muss in der Rechnung der Leistungsempfänger auf seine Steuerschuldnerschaft hingewiesen werden, z. B. mit dem englischen Begriff „Reverse Charge“.

    Für die übrigen in Deutschland nicht steuerbaren grenzüberschreitenden Leistungen (z. B. Werklieferungen) an EU-Unternehmer gelten leider keine einheitlichen EU-Regelungen. In manchen sog. Drittländern besteht ebenfalls eine Reverse-Charge-Regelung. Jedoch empfiehlt es sich hier immer vorab anzufragen, ob im Einzelfall das Reverse-Charge-Verfahren gilt und damit die Registrierung im Ausland unterbleiben kann. Damit diese nicht steuerbaren Leistungen zutreffend in Zeile 42 der Umsatzsteuervoranmeldung erfasst werden, empfiehlt sich auch hier die Verwendung eines besonderen Steuerkennzeichens in der Buchhaltung.

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